Im Oktober 1995, vor genau 30 Jahren hat Heiko Bayerlieb seinen Traum eines eigenen Magazins in die Tat umgesetzt und die erste Ausgabe des Szene-Magazines Mohr stadtillu herausgebracht. Vieles hat sich verändert, doch das Stadtmagazin gibt es noch immer.

30 Jahre Mohr. Hast du damit gerechnet, eine so lange Zeit ein Magazin herauszugeben?

Naja, was heißt damit gerechnet. Die schwierigste Aufgabe an der Sache war wirklich der Start und die ersten Jahre zu überstehen. Angefangen damit, den allerersten Druck in Höhe von 16.000 DM zu bezahlen. Bevor ich starten konnte, musste ich erst einmal allerhand Jobs erledigen, bis ich das Geld zusammen hatte. Mit 20 Jahren hat man in der Regel keinen solchen Geldbetrag auf dem Sparbuch. Deswegen habe ich zuerst nachts für das Coburger Tageblatt Zeitungspäckchen zu den Austrägern gefahren. Viele Austräger warteten schon auf ihre Zeitungen, die tagtäglich um circa 2.00 Uhr nachts aus Kulmbach zur Neuen Presse nach Neuses angeliefert wurden. Von dort aus starteten die Touren für die Fahrer. Die Maßgabe war die Pakete bis spätestens 4 Uhr an den Mann oder die Frau gebracht zu haben. Nachdem die Nacht ohnehin im Eimer war, bot sich das Austragen von Zeitungen an, reichte die Zeit danach um meistens zwei feste Touren, häufig in Urlaubsvertretung oder bei kurzfristigen Krankheitsfällen, zu verteilen. Gegen Einbruch des Tages hatte ich die Möglichkeit für einen Subunternehmer von Schenker mit der ersten Generation von Mercedes Sprintern Pakete und Speditionsgüter auszufahren, bei denen es schnell gehen musste, oder für Anfahrten die für einen großen LKW ungeeignet waren. Insgesamt war die Zeit mit drei solchen Jobs nicht einfach, aber es hat trotzdem Spaß gemacht und ich bin dem Tageblatt und der Firma W & D Transporte noch heute sehr dankbar für diese Möglichkeit.

Was hat sich in dieser Zeit verändert?

Die ganze Welt hat sich verändert. Das Leben hat sich verändert und vor allen Dingen mein persönliches Leben hat sich verändert. Ich denke, es ist ganz normal andere Lebensansichten im Jahr 2025 zu haben, als im Jahr 1995. 30 Jahre sind schon eine verdammt lange Zeit. Bezogen auf die Inhalte des Magazins hat sich bis auf das fehlende Nightlife gar nicht so viel verändert. Nachdem derzeit kein wirkliches Gastro-Nightlife mehr existiert, fällt es auch gar nicht so auf. Nur ältere Leser können sich noch an die vielen Seiten von Discotheken und Partys erinnern. Dieses bunte Treiben war die Grundlage des Magazins. Das Stern-Radio und Fun & Filou in Sonneberg, die Fabrik in Zella Mehlis, das Carolls in Frohnlach, das Mega Inn in Burgkunstadt, das Sunset in Hummendorf, das A 9 in Bayreuth, das Vamos in Bamberg, das Halifax in Himmelkron, um nur einige zu nennen, waren die größten Discotheken und sind deswegen auch am umfangreichsten in das Magazin eingestiegen. Je größer und je mehr Seiten der Auftritt im Mohr unterstrich auch den Status des Clubs oder der Discothek. Hinzu kamen noch eine Vielzahl kleinerer Clubs und eine lebendige House-Szene. Um dies zu betreuen, kam kaum Langweile auf. Ein Highlight des Jahres war die Organisation der Mohr Christmas Party. Die ersten Jahre habe ich mir gegeben wie das Leben als Rockstar.

Warum hat das Magazin so lange überdauert?

Gute Frage. Ein gewisser Durchhaltewille wird wohl vorhanden sein. Für das Magazin selbst bedeutete das Aufkommen von Social Media die größte Hürde. Wir sprechen hier von der Zeit zwischen 2008 und 2012. Plötzlich wurden Partybilder und dokumentiertes Nachtleben in Form von Vorschau-Anzeigen nicht mehr gebraucht. Die Budgets wurden über Nacht digital ausgegeben, bzw. war gar kein Geld nötig, weil man auf Facebook für die Erstellung von Veranstaltungen kein Geld ausgeben muss. Heute sieht es anders aus, will man aufgrund von Algorithmen, noch Ergebnisse erzielen, muss man Geld in die Hand nehmen. Meine Erklärung lautet: Es ist ein bisschen wie das Lieblingsstoff-Tier aus Kindertagen. Anfangs innig geliebt, dann vielleicht uncool damit gesehen zu werden und später immer doch wieder schön anzusehen, weil viele Erinnerungen damit verbunden sind. Und weggeworfen wird es schon gar nicht.

Was macht die Arbeit bei Mohr aus?

Im Prinzip war das letzte Mal, an das ich mich an Langweile erinnern kann, die langen Sommerferien in meiner Schulzeit. Mit Mohr kommt keine Langweile auf, denn man kann sich einfach 24/7 mit irgendwelchen Dingen beschäftigen. Die Bandbreite ist dabei unendlich und man muss sich auch darauf einlassen für neue Dinge offen zu sein. Es freut mich, gerade auch junge Menschen kennenlernen zu dürfen, die wiederum ihren Traum leben und ich darüber berichten und schreiben darf. Das ist für mich unglaublich inspirierend und halten natürlich auch die Inhalte vom Magazin jung. In dem Moment wo man aufhört sich für das zu interessieren was es Neues gibt, sollte man dann vielleicht doch irgendwann ans Aufhören denken.

Wie lange wird es den Mohr noch geben?

Lacht. Keine Ahnung. Solange wie ich noch Lust dazu habe, bzw. solange sich noch Kunden finden, die im Magazin Geld für Werbung ausgeben. Für den Mohr gibt es keine Garantie für ein immer funktionierendes Rezept. Jede Ausgabe ist ein echtes Unikat. Die Inhalte sind Zeitgeschehen und spiegeln das wider, was gerade in der Region passiert. Die Inhalte entstehen dabei in meinem Kopf bzw. fallen mir einfach vor die Füße, oder bleiben als Impuls in meinem Netzwerk hängen, der dann in Form eines Artikels oder Themas umgesetzt wird. Mit Netzwerk sind einfach mittlerweile unzählige Kontakte mit Menschen gemeint, die sich in 30 Jahren unwillkürlich angesammelt haben. Weiterhin muss man zugeben, dass mit 51 Jahren auch gesundheitlich immer etwas passieren kann.

Die ersten Gestalter der Mohr-Historie sind bereits verstorben und wurden keine 60 Jahre alt. Da kann man schon einmal ins Grübeln kommen.


Was sind die nächsten Projekte der Mohr stadtillu?

Offen für Neues zu sein, liegt sozusagen in meiner Grund-DNA und deswegen macht es mir auch verdammt großen Spaß, mich um die Inhalte für Mohr zu kümmern. Nach dem Mohr ist irgendwie auch vor dem nächsten Mohr. Große Innovations-Sprünge sind bei einem Printmagazin vermutlich nicht mehr zu erwarten. Neben dem Magazin hat sich aber die Mohr Eventpalette die letzten Jahre enorm erweitert. Im nächsten Jahr stehen gleich 10 eigene Events auf der Agenda und mit der Veranstaltung kühl & blond werden im Juni und dem Roten Markt im Juli nächsten Jahres gleich zwei neue Ideen von mir an den Start gehen. Was es damit genau auf sich hat, kann man auf den Seiten 66 und 86 genauer erfahren. Es soll ja nicht langweilig werden.