Neustadt hat ab sofort mit der kultur.werk.stadt eine neue Kultur- und Bildungseinrichtung. Mit einer multimedialen Dauerausstellung zur innerdeutschen Grenze gilt sie als Vorzeigeprojekt in der Region.

Erst kürzlich wurde die kultur.werk.stadt in Neustadt bei Coburg auch offiziell eröffnet. Rund 2,6 Millionen Euro hat der Umbau der ehemaligen Druckerei Patzschke im Zentrum der oberfränkischen Grenzstadt zu Thüringen gekostet. Die Maßnahme gilt als Vorzeigeprojekt für den gesamten Landkreis.

Wir treffen Martin Stingl, den Dritten Bürgermeister der Stadt Neustadt. Er führt uns durch die Räume die jetzt neu entstanden sind.  "Veranstaltungsräume für die Stadt, die Volkshochschule hat hier ihren Sitz in Neustadt bekommen, die Begegnungsstätte Innerdeutsche Grenze (BIG) wurde untergebracht, und als Kulturbürgermeister durfte ich hier selbst ein Büro beziehen. Zudem gibt es eine Erinnerungsstätte an die Zeit des Verlagshauses und auch das städtische Kunstarchiv hat einen würdigen Rahmen erhalten".
So gesehen war auch ein Zeitungsartikel schicksalhaft an der Entstehung der weiteren Nutzung beteiligt. Martin Stingl bemängelte einst die schlechte Unterbringung des Neustadter Kunstarchives. Eben diese Zeilen wurden auch aufmerksam im fernen Portugal von Dr. Michaela Probst-Steinmann gelesen. Ihr Urgroßvater Emil Patzschke hat 1891 die Gebäude bauen lassen und das Areal stand leer. Die Ideen um das was entstanden ist bewegten sie schließlich sogar zur Schenkung an die Stadt Neustadt. Kürzlich wurde die kultur.werk.stadt in einem Festakt auch offiziell übergeben.

"Über 120 Jahre lang wurde in diesen Räumen gedacht, gestaltet, geschrieben ...", rief Dr.Michaela Probst-Steinmann in Erinnerung. Sie verbrachte in dem Gebäude ihre Kindheit, als es noch das Verlagshaus Patzschke war. Als es leer stand, schenkte sie es der Stadt Neustadt, damit "der Geist des Ortes" erhalten bleibe. Was aus dem Komplex geworden ist freut sie sehr, denn auch in Zukunft wird hier "gedacht, gestaltet, geschrieben" - und sogar noch mehr. Geforscht, gelernt, erinnert und sogar ein wenig regiert.
Ein Segen für die Stadt, wie Oberbürgermeister Frank Rebhan feststellte. "Die Nähe zu den Schulen hat großen Wert", sagte Rebhan. Denn gerade Schüler sollen dort an Neustadts frühere Situation an einer mörderischen Grenze erinnert werden.

Ohne Unterstützung wäre es für die Stadt aber nicht zu finanzieren gewesen, das zu schaffen, was jetzt die Kultur.werk.stadt ausmacht. Städtebauförderung in Höhe von 1,5 Millionen Euro reichte die Regierung von Oberfranken aus, 450 000 Euro gab die Oberfrankenstiftung dazu.

Geld, das Regierungspräsidentin  Heidrun Piwernetz gut investiert sieht. "Es ist ein gelungenes Projekt der Stadterneuerung und trägt nachhaltig zur Aufwertung des Ensembles zwischen Bahnhof und Schulen bei", sagte sie und sicherte Unterstützung bei allen weiteren Maßnahmen zur Stadterneuerung zu.

Ort der Erinnerung aufch für die Geschichte der Mohr Stadtillu

Als 1995 die Idee entstand ein Stadtmagazin für Coburg herauszubringen mußte auch eine Druckerei gefunden werden. Der Weg führte nach Neustadt zur Druckerei Patschke. In den Räumen wo einst die Druckmaschinen ratterten und  der Mohr damals gesetzt, gedruckt und schließlich zusammengeheftet wurde hat jetzt eine neue Nutzung erfahren. Da der Grundcharakter der Räumlichkeiten so beeindruckend erhalten werden konnte, verabredeten wir uns nur wenige Tage nach dem Treffen mit Martin Stingl noch einmal mit dem damaligen Druckerei Chef Helmut Matthe. Auch er zeigt sich tief beindruckt von den entstandenen Räumen und der sinnvollen Weiternutzung. Im Jahre 1975 kam er selbst als Schriftsetzer-Meister in den Betrieb. Knapp 40 Personen fanden in der Druckerei Patschke damals Arbeit, allein 4 bis 5 Setzmaschinen wurden benötigt um die Bleizeilen für den Buchdruck anzufertigen. Im Vordergebäude war die Redaktion des Neustadter Tageblattes untergebracht. Mitte der 70 er Jahre ist der Verlag dann in den Druck von losen Blattwerken, sprich Gesetzestexten eingestiegen. Rund 60 bis 70 Prozent des Umsatzes wurden in Neustadt mit einem Frankfurter Verlag umgesetzt. Erst im späteren Verlauf wurde die Druckerei auf Fotosatz umgestellt. Im Jahr 1992 bekam er schließlich von den Steinmanns das Angebot die Druckerei zusammen mit einem Partner zu übernehmen. Da sich die Druckerei eigentlich vollends auf den Druck der losen Blattwerke spezialisiert hatte, war ein Umdenken absolut notwendig, denn die Technik in der Druckbranche nimmt bis heute ein rasantes Tempo auf. Mitte der 90er Jahre wird in Passau die erste gebrauchte Vierfarbmaschine gekauft, denn der Maschinenpark war nur auf einfarbig ausgelegt. Die neue Maschine von König und Bauer spricht sich im Coburger Land herum. Neben den beiden Druckerein Louis und Werner Hofmann in Sonnefeld ist Patschke Druck eine der größten Druckereien der Region. Dies ist mit Sicherheit auch ein Grund warum damals die Entscheidung die ersten Mohr-Exemplare in Neustadt zu drucken gefallen ist. Nach einigen Jahren ist aber die Auflage von Mohr durch die zusätzlichen Standorte wie Bamberg und Bayreuth einfach zu hoch und ein Druckereiwechsel unvermeidbar. Der gute Kontakt zur Druckerei aber bleibt bis zuuletzt als Helmut Matthe 2008 mit 60 Jahren den Ruhestand antritt. Unser Bild zeigt Mohr Gründer Heiko Bayerlieb und den ehemaligen Druckerei-Chef Helmut Matthe vor einer Heidelberger Tiegel die jetzt noch im Foyer der kultur.werk.stadt steht. Anläßlich des Treffens haben wir aus dem Archiv auch einige Exemplare der ersten Stunde mitgebracht, die in Neustadt vom Band gelaufen sind.

Ort der Begegnung und Bildung

Die neue kultur.werk.stadt soll ein Ort sein, an dem sich Menschen begegnen und bilden können. Hier finden beispielsweise Maler und Bildhauer Raum für ihre Arbeit. Zudem ist eine multimediale Dauerausstellung zur innerdeutschen Grenze in den Räumen aufgebaut. Die Besucher sollen hier in die Zeit des Kalten Krieges und der deutsch-deutschen Teilung zurückversetzt werden. Denn: Nur wenige Kilometer nördlich von Neustadt bei Coburg befand sich der Eiserne Vorhang.

Mahnender Schülertourismus

Mit dieser Grenze hängen ganze Familientragödien zusammen, so Neustadts 3. Bürgermeister Martin Stingl (SPD). Mahnung und Erinnerung sei auch in der politischen Arbeit notwendig, so Stingl.

"Hier soll ein Schülertourismus aufgebaut werden, so dass wir den jüngeren Generationen vor Augen führen können, was hier einmal für eine besondere Situation durch die Grenze war. Und wir können damit mahnen, dass wir so etwas nicht mehr erleben müssen und zulassen." Martin Stingl, 3. Bürgermeister Neustadt bei Coburg

Die kultur.werk.stadt in der ehemaligen Druckerei Patzschke bewährt sich als zeitgemäße Begegnungs-s und Bildungstätte für engagierte Menschen aller Generationen.
Die Angebotsschwerpunkte liegen hier im Bereich Bildung, Kunst und Kreativität.
Ein zentrales Element der kultur.werk.stadt stellt die Bildungsstätte Innerdeutsche Grenze dar: Diese multimedial konzipierte Dauerausstellung bietet Besuchern jeden Alters anschauliche und umfassende Informationen. Spezielle Grenzlandtouren runden dieses Angebot ab: Entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze kann der Besucher vom Startpunkt Neustadt ausgehend die historischen Originalstätten direkt erleben und vor Ort mittels Audiodateien informative Erläuterungen zu den jeweils besuchten Punkten abrufen.

Die Bildungsstätte Innerdeutsche Grenze in der kultur.werk.stadt. bildet den musealen Ausgangspunkt einer Zeitreise in den Kalten Krieg und bringt dem Besucher die Situation des Lebensraumes direkt am Eisernen Vorhang nahe.

Ein moderner Ausstellungsraum mit interaktiven Informationsmöglichkeiten animiert den Besucher, an historischen Stätten entlang der ehemaligen Grenze auf Spurensuche zu gehen. Die politische Bildungsstätte ist sowohl auf Schüler- und Gruppentourismus als auch auf Individualbesucher ausgerichtet.
Öffnungszeiten:
Montag 08:00 – 16:00 Uhr
Dienstag 08:00 – 18:00 Uhr
Mittwoch 08:00 – 13:00 Uhr
Donnerstag 08:00 – 16:00 Uhr
Freitag 08:00 – 13:00 Uhr
Terminvereinbarungen für Führungen außerhalb der Regelöffnungszeiten sind möglich.