Das Bratwurstglöckle ist für Norbert und Kerstin nicht einfach nur ein Job. Es ist ihr Leben. Das Gastzimmer ist ihr Wohnzimmer und die Gäste sind ihre Familie. Max, ihr Sohn, im Hauptberuf examinierter Altenpfleger, hilft gerne mit, wenn er gebraucht wird.
Am 23. und 24. Mai feierte das rustikale Wirtsehepaar zusammen mit seinen Stammgästen die schöne Zeit, die sie ein Vierteljahrhundert lang im Bratwurstglöckle miteinander verbracht haben. An beiden Tagen spielte VOLXXROCK of Meilschnitz. Mit volkstümlicher Stimmungsmusik bringt VOLXXROCK immer wieder eine Riesengaudi in die zahlreichen Veranstaltungen, bei denen sie auftreten. ,
"Die haben vielleicht die Burg gerockt" erinnert sich Norbert tief beeindruckt. "Die haben den Laden aufgemischt" (VOLXXROCK). "Die sind alle aufgestanden" (seine Gäste). "Da ist keiner sitzen geblieben". Mit leuchtenden Augen erzählt er von dem gelungenen "Familientreffen".
Der Jubilar freut sich, dass auch die Kulmbacher Brauerei zu Besuch war. Frederik Diez, Gebietsverkaufsleiter, bedankte sich mit einer Urkunde für 25 Jahre guter Zusammenarbeit. In dieser Zeit sahen Norbert und Kerstin viele Kinder aufwachsen. Sichtlich gerührt sind sie, weil sie heute noch immer mit ihren Eltern kommen und zusätzlich schon ihre Enkelkinder mitbringen.
Schauplatz ist das altehrwürdige Gebäude in der Coburger Innenstadt, lt. Norbert aus dem Jahr 1738, mit Deckengewölbe, historischen Fensterscheiben, voll rustikalen Möbeln, antiquarischer Dekoration und alten Uhren, kurz "u(h)rgemütlich". So haben Coburger Gaststätten wohl um 1900 ausgesehen. Hier begrüßt Kerstin herzlich ihre Gäste, hilft ihnen bei der Auswahl eines Platzes, nimmt die Bestellungen auf, bringt die Getränke und serviert die Speisen. Sie liebt den Service und die Menschen, mit denen sie zu tun hat.
Essen wie bei Oma
Nebenan, hinter der rustikalen Theke, ist die Küche. Dort kocht Norbert original Coburger Gerichte, die schmecken wie bei Oma. Coburger Bratwürste mit Kraut, "das nicht wässrig ist". "Sämig abgebunden", "deftig mit Speck und Kümmel", "wie früher halt", so Norbert. Legendär ist seine Currywurst von 420 Gramm, prall gefüllt sein Cordon Bleu, bodenständig sein Leberkäs mit Spiegelei und dem selbst gemachten Kartoffelsalat Coburger Art. Zwei Küchenfeen ermöglichen es dem Kochprofi alter Schule, komplett auf Fertigprodukte zu verzichten. Norbert geht selbst einkaufen und wählt nur frische Zutaten aus. So bringt er köstliche traditionelle Coburger Gemüsegerichte wie Karotten oder Porree frisch auf den Tisch. Woanders sind sie schon lange von der Karte verschwunden. Zart sind die Schnitzel, für die der erfahrene Koch nur Schweinelachse verwendet. Donnerstag und Sonntag finden seine Coburger Klößtage statt. Acht bis neun Braten gibt es da schon. Einen schnellen Konvektomaten hat er dafür nicht. Nach und nach schiebt er die Braten für Stunden in den Backofen, mit Knochen für eine kräftige Soße. Danach lässt Norbert sie über Nacht ziehen und erst am nächsten Tag wird das Fleisch, mit viel Geschmack durchdrungen, serviert.
"Jung', besser hätt' ich's aaa net gekönnt"
Frisch und hausgemacht sind Norberts Salate, groß die Portionen, sein Preis-Leistungsverhältnis passt. Anrichten mit Chichi gibt es bei dem Coburger Urgestein nicht. Seine Tellersprache ist einfach, aber durchaus appetitlich. Zu Recht lässt das Coburger Original keine Kritik gelten, denn Omas Küche gehört genau so.
Der echte Coburger Gast weiß das und schätzt die üppigen Mengen, die der traditionelle Koch in hoher Qualität auf den Tisch bringt. "Jung', besser hätt' ich's aaa net gekönnt" war wohl sein höchstes Lob, ausgesprochen von deutlich älteren Hausfrauen, die regelmäßig zu ihm kommen.
Der Urcoburger weiß, was er tut, hat er seinen Beruf doch von der Pike auf gelernt. Als ausgebildeter Restaurantfachmann war er unter anderem jahrelang im Gasthof Sauerteig in Rödental tätig. Dort zeigte ihm Familie Metz die althergebrachte typische Coburger Küche nach Omas Rezept.
Das Bratwurstglöckle wurde zuvor 33 Jahre von der Kaltwirtin Rosa und der legendären Daisy betrieben. Norbert hätte nur zu gerne direkt ihre Nachfolge angetreten. Die Scheidmantelbrauerei, damals Hauseigentümer, verpachtete jedoch mehrmals an andere Bewerber, die in dreieinhalb Jahren munter wechselten. Hartnäckig am Ball erhielt Norbert im Mai 2000 den lang ersehnten Zuschlag als Pächter vom Bratwurstglöckle.
Kein halbes Jahr später drohte der Traum jäh zu platzen. Scheidmantel wurde von der Kulmbacher übernommen, die wiederum das Bratwurstglöckle zum Verkauf anbot.
Gut, dass sich Norbert damals schon in die Herzen seiner Gäste gespielt hatte. Der damalige Direktor der Coburger Bank erkannte sein Potenzial und gewährte ihm wohlwollend einen Kredit für den Kauf des Hauses.
Bodenständig wie er ist, hat Norbert das in ihn gesetzte Vertrauen nicht enttäuscht - und so lange es ihm noch Spaß macht, wird es sie im Bratwurstglöckle noch geben, die original Coburger Tradition.