Bonsai: Dieses Wort ruft Bilder von filigranen japanischen Gärten und Zen-Mönchen in uns hervor. Viele haben dabei auch die 1980-er Jahre vor Augen, in denen die asiatischen Zwergenbäume deutsche Wohnzimmer und Büros eroberten. Wer heute Ralf Jauernig in seinem Bonsaigarten besucht, wird staunen, weil er dort Miniaturen heimischer Gehölze vorfindet.

Ralf ist erfahrener Bonsaikünstler und er lacht, weil es vielen Gästen so geht. Immer wieder muss er erklären, dass Bonsai keine genetisch veränderte Zwergpflanze ist, sondern ein ganz normaler Baum, den er durch gezielte Schnitte, Drahtung und Pflege in Form bringt. Bonsai kann jeder Baum werden. Unsere Weißdorn, Linden, Ahorn, Buchen, Kiefer, Fichte, Berberitze, Pfaffenhütchen, Zierapfel, Wacholder eignen sich hervorragend dafür.

Kleine Kunstwerke
Der Gärtner wird dabei zum Künstler und "Bildhauer." Ralf entscheidet, welche Äste wachsen dürfen, welche entfernt werden, und wie die Form des Baumes seine innere "Geschichte" erzählen soll. Jede Narbe, jede verdrehte Wurzel und jeder abgeschnittene Ast ist ein Teil dieser Geschichte und jeder Bonsai ein Unikat. Er ist eine lebende Skulptur, die sich ständig verändert und weiterentwickelt.
Man fühlt die Zeit, die in ihm steckt. Es ist fast so, als würde man einem stillen, weisen Wesen begegnen. So hat Ralf gelernt, in Rhythmen der Natur zu denken, auf Veränderungen zu reagieren und im Moment zu leben. Der Stress des Alltags verflüchtigt sich, während Ralf mit ruhiger Hand einen kleinen Ast schneidet oder einen neuen Draht anlegt.
Bewegtes Leben
Das war nicht immer so. Sein Vater, eigentlich ein hiesiger, war von seinem Arbeitgeber, dem Coburger Glühlampenhersteller Hellum, im Ausland eingesetzt. So kam Ralf 1966 in Istanbul zur Welt. Bis zur 6. Klasse lebte der heute 59-Jährige in Rödental, um danach bis zum 18. Lebensjahr in Ecuador aufzuwachsen. Wieder in Deutschland war er zunächst in kleinen Firmen beschäftigt, schätzte dort das Familiäre und die kurzen Entscheidungswege. Zuletzt lockte ihn ein großes Unternehmen mit tollen Positionen als Qualitätsplaner und Entwicklungsingenieur. Mehr konnte ihm diese Firma leider nicht geben. Zähe Abläufe, wenig Entscheidungsgewalt und die Aufgabe, Mitarbeiter zu hochwertiger Leistung zu motivieren, zermürbten über 20 Jahre. Gut, dass Ralf eine tolle Freizeitbeschäftigung hatte, auf die er 2021 beruflich umsatteln konnte...
Vom Hobby zum eigenen kleinen Geschäft
Die faszinierende Welt der interessant geformten Miniaturbäumchen begeisterte Ralf schon Anfang der 1990-er Jahre. Internet und Communities gab es damals nicht, jedoch eine handvoll guter Literatur. Eine heute noch hoch angesehene Coburger Buchhandlung fand alle Bücher, die Ralf zu einem erfolgreichen Start brauchte. Vor allem das Schriftwerk von Werner Busch erwies sich als äußerst hilfreich.
Später formierten sich die Bonsai-Freunde Altenkunstadt, eine Passion so exotisch, dass die Mitglieder sogar aus Lichtenfels und Bamberg stammten. Aber da war Ralf schon eingefleischter "Bonsaianer" und vergrößerte sein Netzwerk ständig.
So baute er in Workshops (unter anderem mit Walter Pall, Jürgen Zaar, Gil Marriner und weiteren großen Bonsaigestaltern bzw. Bonsaimeistern) seine Fähigkeiten immer weiter aus. Zusätzlich besuchte er regelmäßig deutsche und europäische Bonsaiausstellungen und ließ sich inspirieren. Noch heute holt er sich dort neue Gestaltungsideen und frische Motivation.
1.000 Pflanzen auf dem Feld
In Ralfs besonderer "Baumschule" fängt ein Bonsai an, wie jeder Baum. Als Jungpflanze von einem dreiviertel Meter aus dem Forsthandel stellt er sie aufs Feld (also eigentlich in einem großen Topf auf die grüne Wiese). Dann braucht er viiiiiiiiel Geduld, wartet ein Jahr, ob die Wurzel überhaupt anwächst. Wenn alles stimmt, beginnt er dann so langsam mit dem Draht zu arbeiten und später kommen die ersten Rückschnitte. Im weiteren Verlauf der Formgebung werden die Bäumchen von dem 59-Jährigen in Bonsaischalen umgetopft. Er verwendet Substrat und organischen Dünger. In normaler Erde faulen die Wurzeln sonst leicht.
Echte Kunst
Ralf hat sein Hobby zum Beruf gemacht und lebt umtriebig seine Passion. Ein solcher gibt sich nicht allein mit Standardabläufen zufrieden. So läuft er stets mit offenen Augen durch die Flur, wählt dabei ältere Gehölze zur Bearbeitung aus. Hässliche Bäume und Hecken möchte er haben, auf keinen Fall etwas schön Gewachsenes. Je krummer, krüppeliger desto besser. Dann gräbt er die "schrägen Zeitgenossen" aus, stutzt sie und pflanzt sie in die großen Töpfe. Letztendlich werden aus diesen hässlichen Dingern die effektvollsten Bonsais. Ralf kennt die Landwirte der Umgebung und die Bauern mögen den motivierten Bonsaianer mit seinen gelungenen Experimenten. Sehr gerne lassen sie ihn Bäumchen ausgraben, die sie nicht brauchen. Häufig stören die "Krüppeldinger" sogar, weil sie wild in den Weg gewachsen sind.  Auf diese Weise fand der pfiffige Künstler auch eine Buche, die ungewöhnlich am Boden entlang gewachsen ist. Die Grundstückseigentümer lachten, weil er sie unbedingt haben wollte, ließen ihn aber gewähren. Dann beschreibt der 59-Jährige, dass er bei der Formgebung sogar die Wurzel des üblen Kandidaten gedreht hat. So richtig weiß man nicht, was er mit der "armen Pflanze" alles angestellt hat. Daraus geworden ist heute jedoch ein außergewöhnlicher Bonsai mit eingewachsenen Steinen - und durchaus schick.
Beeindruckender Vergleich
Auf der rechten "Mohr"-Seite, im Bild unten links, deutet Ralf Jauernig auf zwei 30 Jahre alte Eichen. Das haushohe Exemplar im Hintergrund wuchs auf, wie ein normaler Baum, wurde dicht und buschig. Die Bonsaieiche im Vordergrund blieb durch Ralfs Formgebung kleinwüchsig und verzweigte sich zu einem Blickfang, bei dem man automatisch länger stehen bleibt, um ihn im Detail zu betrachten.
Bonsaiverkauf und Workshops
Im Bonsaigarten verkauft Ralf Bäumchen aller Entwicklungsstadien. Je nach Wissensstand des Käufers können wenig bearbeitetes Rohmaterial oder stärker entwickelte Planzen bei der weiteren Formgebung viel Freude bereiten. Selbstverständlich auch im Angebot sind mehrere hundert fertig gestaltete Miniaturbäumchen für die Nutzung als attraktive Dekoration. Der 59-jährige gibt dazu gerne kurze Tipps und veranstaltet auch Workshops - denn auch ein fertig geformter Bonsai braucht die richtige Pflege. Ansonsten wird er schnell wieder zu dem, was er eigentlich ist: Ein riesiger Baum...
Bonsaigarten Birkach
Ralf Jauernig
Herrenleite 2 · 96253 Untersiemau
Tel. 0152 / 0412 3585
www.bonsaigarten-birkach.de

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