Der Künstler Michael Karg eröffnet bei Karstadt Bamberg die diesjährige Ausstellungsreihe "Kunst im Treppenturm". Bereits  zum 19. Mal präsentierte das Kaufhaus in Bamberg Kunst im öffentlichen Raum.

In der Tat ist die Frage, ob es sich bei den Arbeiten von Michael Karg um Collagen, um Fotografie oder um Malerei handelt gar nicht so einfach zu beantworten. Das Ausgangsmaterial der gezeigten Bildwerke liefert zunächst tatsächlich die Fotografie. Jedoch nicht die Fotografie, wie wir sie herkömmlich kennen: also die Ablichtung eines zentralen Motivs, landschaftlicher oder figürlicher Art, das durch geschickte Perspektivwahl und Fokussierung eindrucksvoll in Szene gesetzt und als repräsentativer Ausschnitt der sichtbaren Wirklichkeit den Blicken des Betrachters dargeboten wird. Vielmehr verwendet Michael Karg solche Aufnahmen, die er selbst anfertigt oder von dem befreundeten Fotografen Matthias Hoch anfertigen lässt, lediglich als ikonographisches Rohmaterial, das er computergestützt und mittels ausgefeilter Bildbearbeitungsprogramme aufwändig verfremdet.

In tagelanger (nicht selten auch nächtelanger) Feinarbeit fügt er vermeintlich heterogene Motive nach dem Prinzip der Fotomontage zu surrealen Ansichten zusammen: nicht grob und so, daß die Montage auf Anhieb zu erkennen ist, sondern meist in der feinmeisterlichen Manier eines naturalistisch-veristischen Malers, der die gegebenen Licht-Schatten-Verhältnisse angleicht und die Perspektiven augentäuschend in Einklang mit einander bringt, fließende Übergänge dabei schafft und das fertige Bild am Ende wie aus einem Guß erscheinen lässt. Was nach dem Prinzip der sog. „Reizcollage“ in ausgeklügeltem Detailrealismus entsteht sind phantastische Bildwelten, die einfallsreich ersonnene Landschaften, Traumgesichter und Visionen vor unseren Augen zur sichtbaren Wirklichkeit werden lassen.
Dieses augentäuschende Zusammenfügen ursprünglich heterogener Bildmotive ist es, was die Arbeiten von Michael Karg in eine gewisse Nähe zur Malerei rückt. Wie mit dem Pinsel bewegt Karg den Curser über die Bildfläche und setzt er, entsprechende Tools der Bildbearbeitung ausgewählt, seine Licht- und Schattenpunkte, weicht er Konturen auf, harmonisiert er Farb- und Perspektiv-Ebenen und verschiebt er die einzelnen Bildelemente so lange, bis sie sich zu einem kompositionsästhetisch stimmigen Ganzen zusammenfügen. Dies ist sozusagen der „malerische“ Aspekt seiner Werke. Und tatsächlich spricht man in der Computerkunst bei dieser detailrealistischen Art der graphischen Gestaltung von „Malerei“: nämlich von „Computermalerei“.

Bereits als Jugendlicher begeisterte sich Michael Karg für die virtuellen Bildwelten von Computerspielen. Statt dieses Medium jedoch einfach nur zu konsumieren, begann er eines Tages, hinter die Kulissen der Spiele-Produktion zu schauen und gemeinsam mit einem Schulfreund eigene Pixelwerke zu konzipieren, zu programmieren und grafisch auszugestalten. Im Rahmen dieser ersten grafischen Experimente entstanden utopische Landschaften, die sich als Hintergrund bzw. als räumliche Umgebung für Computer- und Videospiele nutzen ließen.

Aus seiner Begeisterung für das Erfinden künstlicher Welten leitete Michael Karg schließlich seinen Berufswunsch ab: Er wollte Grafiker werden und ist heute in der glücklichen Lage von sich sagen dürfen, daß er sein Hobby zum Beruf machen konnte. Als Art Director bei der „Mediengruppe Oberfranken“ steht in seinem beruflichen Alltag natürlich weniger die künstlerische Selbstverwirklichung im Vordergrund als vielmehr die grafische Umsetzung werbestrategischer Kundenaufträge oder die Schaffung von Leseanreizen durch eine ansprechende Gestaltung.

„Durch die Hintertür“, wie er sagt, eröffnen sich insbesondere durch die grafische Aufbereitung politischer Themen immer wieder neue Möglichkeiten, Personen der aktuellen politischen Zeitgeschichte karikativ darzustellen und dabei die gleichen technischen Mittel anzuwenden, die auch bei den hier gezeigten Werken zur Anwendung gelangen.

Für seine könnerschaftliche illustrative und infografische Arbeit wurde Michael Karg übrigens auf internationaler Ebene bereits mehrfach mit entsprechenden Preisen und Auszeichnungen geehrt. Die Begeisterung für das grafische Arbeiten am Rechner führt Michael Karg ebenso intensiv wie in seinem Berufsleben auch in seiner Freizeit fort, in der er motivisch immer ausgereiftere, technisch immer raffiniertere und auch inhaltlich immer anspruchsvollere Bildwelten erfindet.
In jüngster Zeit spielen für die Arbeiten von Michael Karg figürliche Motive und Porträtaufnahmen eine immer wichtigere Rolle, um die herum oder in die hinein er als motivgebendem Ausgangsmaterial seine Bilderfindungen montiert.

Anders jedoch, als beispielsweise im Surrealismus, der stark mit dem Zufall spielt und mit spontanen motivischen Einfällen, geht Karg bei seinen Porträtdarstellungen sehr viel rationaler vor: Er beschäftigt sich mit der Biographie des Porträtierten, mit seinen beruflichen Aktivitäten oder seinen charakteristischen Wesenseigenschaften und setzt diese in bildliche Chiffren um. Nehmen wir hierzu etwa das Porträt von Klaus Stieringer, dem Citymanager der Stadt Bamberg, der gebürtig aus Bremen stammt, dort eine Bankkaufmannslehre absolvierte und anschließend in Göttingen Jura studierte. Vom seriösen Bänker und Juristen ist auf seinem Porträt nicht viel geblieben, doch sein ungestümes Wesen, seine rauhe Herzlichkeit und seine norddeutsche Herkunft sind durch solche Motive wie der sturmgepeitschten Nordsee, der strömenden Lava und dem Leuchtturm eindrucksvoll in Szene gesetzt. Klaus Stieringer gerät auf seinem Bildnis zum energiegeladenen Titanen, der einen Riesenkraken besiegt. Oder nehmen wir das Porträt von Matthias Hoch, dem Berufsfotografen und Arbeitskollegen von Michael Karg, der auf seinem Bildnis als passionierter Abenteurer und Raucher erscheint, mit viel Feuer um sich herum, mit stählerner Produktionsarchitektur und qualmenden Schloten.
Betrachten wir das Porträt von Arnd Rühlmann zu guter Letzt, dem allseits bekannten Bamberger Schauspieler mit seinem Programm „Leichen im Keller“ und seinem Hang zum schwarzen Humor: In Totengräber-Outfit und mit diabolischem Grinsen funkelt er listig dem Betrachter entgegen, ein aufgeschlagenes Buch in seinen Händen, aus dem die grusigsten Nachtmahre und Alptraumfiguren aufzusteigen scheinen, spinnenumwoben das Ganze, eine schwarze Krähe links unten am Bildanfang, ein Horrorwald im Hintergrund, mit blutrot zu Erde fallendem Laub. In diesem Porträt verschmelzen Verschmitztheit und Humor mit Sarkasmus und einer mephistophelischen Lust am Morbiden. Was für eine wunderbare Charakterisierung dieses Bamberger Ausnahmeschauspielers.
Politische Aussagen, wie im Porträt von Donald Trump zu sehen, interessieren den Grafiker zuweilen ebenso wie die nicht nur biographische, sondern in erster Linie psychologische Erfassung der Bildfigur.
„Decay“ lautet der übergeordnete Arbeitstitel dieser Porträts: Zersetzung, Auflösung, aber auch Zerfall. Genau darum allerdings geht es in der Porträtkunst überhaupt, in der traditionellen Porträtmalerei seit Jahrhunderten ebenso wie in der modernen Porträtfotografie: nämlich darum, den aktuellen Ist-Zustand des Porträtierten festzuhalten (beruflicher, biographischer oder auch mentaler Art) und dem Betrachter dabei in Erinnerung zu rufen, daß nichts wirklich von Dauer ist. In diesem Sinne ist jedes Porträt stets auch eine Art „Memento Mori“ – eine Gemahnung des Bildes an den Betrachter, sich der Vergänglichkeit des Gezeigten ebenso wie seiner eigenen Vergänglichkeit bewußt zu werden.

Nichts bleibt, wie es ist; nichts ist, wie es scheint; hinter jeder äußeren Erscheinung steckt ein tieferes Inneres, dessen wir erst durch seine bildliche Transformation gewahr werden. Sollten auch Sie Interesse haben, sich in dieser außergewöhnlichen Weise von Michael Karg porträtieren zu lassen finden Sie im Netz unter www.kargistan.de den Kontakt zum Künstler.

Im Juni wird Miachael Karg auch im Rahmen der dritten Auflage der Kunstverkaufsmesse Coburg in den Alten Pakethallen am Güterbahnhof seine Werke zeigen.

Text: Dr. Matthias Liebel, Bamberg