Sebastian Schnoy, geboren am 14. August 1969 in Hamburg, ist vielfach ausgezeichneter Kabarettist, Keynote Speaker, Moderator und Buchautor. Seine Programme, in denen er Politisches in Verbindung mit Geschichte humorvoll beleuchtet, hat er erfolgreich in seinen Büchern aufbereitet.

Drei seiner Werke waren Spiegel-Bestseller: „Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt“, „Smörrebröd in Napoli" und „Heimat ist, was man vermisst“.

MOHR mit Sebastian Schnoy im Interview

Anlässlich des 500-jährigen Jubiläums haben Sie mit „Luther war ein Blogger“ ein Kabarett-Programm über den Reformator aufgelegt. Was finden Sie an ihm „lustig“?
Sebastian Schnoy: Vieles. Hatte er Knieschmerzen, vermutete er den Teufel in seinem Knie, mit dem er ebenso viel sprach wie mit Gott selbst. Am lustigsten finde ich, wie stark Luther bis heute alle Deutschen prägt – selbst Atheisten. Das Leben soll Buße sein, sagte er. Wo gilt das mehr als im sozialdemokratischen Ortsverein? Aber neben viel Lustigem ist in meinem Programm auch Zeit für die Abgründe Luthers. Türken, Juden und Behinderte sollten besser ermordet werden, fand er. Hitler hat später Luther gelobt, eine unheilvolle Allianz von einem in ein ganz anderes Jahrhundert.  
Luther war erfolgreich. Wie lautet seine Erfolgsformel?
Schnoy: Ähnlich wie Donald Trump fasste er sich kurz und richtete sich an eher wenig gebildete Menschen. Er postete knapp 500 Jahre vor der Erfindung von Facebook seine Thesen – in seinem Fall an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg. Er sagte: „Man braucht sieben Lügen, um eine zu bestätigen.“ Für diese Botschaft benötigte er nur knapp 50 Zeichen. Und er hat die Bibel ins Deutsche übersetzt. Das sprachen damals die Leute, die sich mit dem Knüppel die Köpfe eingeschlagen haben. In elf Wochen übersetzte er das Neue Testament. Die evangelische Kirche benötigte trotz Teamarbeit allein für die zweite Bearbeitung der Lutherbibel 60 Jahre.
Worüber würde Luther heute bloggen und twittern?
Schnoy: Er würde sich den aktuellen Themen widmen, zum Beispiel Fake News, das war ja sein Kernthema: Was hat Jesus wirklich gesagt? Seine Spezialität waren kurze, knackige Botschaften zu allen Themen, also quasi Tweeds wie: „Iss was gar ist, trink, was klar ist, red, was wahr ist.“ Und er hätte selbst Donald Trump in Grund und Boden getwittert. „Eine Lüge ist wie ein Schneeball: je länger man ihn wälzt, desto größer wird er.“ Dieses Luther-Statement hätte den US-Präsidenten entlarvt. Denn genauso funktionierte sein Erfolg: einfach weiter lügen, bis viele denken, vielleicht ist ja doch was dran. Noch härter hätte Luther gegen Erdogan getrommelt. Die Türken standen vor Wien und er stachelte Soldaten an mit dem Satz: „Jeder getötete Türke, kommt direkt in die Hölle.“
Religion und Humor können eine explosive Kombination darstellen. Wie gehen Sie damit um?
Schnoy: Humor ist das Gegenteil von Religion, deshalb wird es explosiv. Lachen wurde im extremen Christentum ebenso geächtet wie im Islam. Warum? Religionen leben davon, dass wir vor etwas Angst haben: vor dem Tod, der Hölle, dem zürnenden Gott. Alles, worüber wir lachen können, macht uns keine Angst. Heiner Geißler schrieb, dass Lachen in der Messe bestraft wurde, als er Ministrant war. Inzwischen hat die christliche Kirche bei uns ihre Gewaltoption verloren und ist häufig Gegenstand im Kabarett. Ganz anders sieht es mit dem Islam aus. Über den Propheten Mohammed macht kein deutscher Komiker Witze. Die Angst vor gewaltbereiten Islamisten ist zu groß.
Welches Zitat von Luther könnte auch von Sebastian Schnoy stammen?
Schnoy: Hinter jedem starken Mann steht eine Frau, die es besser kann. Das ist von mir, aber neben Luthers Strahlkraft zu bestehen ist nicht einfach.
Können Sie Ihr Programm in 160 Zeichen beschreiben?
Schnoy: „Luther war ein Blogger“ ist ein lustig-böses Kabarett-Programm mit einem Best-of Martin Luthers: Es geht um Thesen, Flüche, Flegeleien und auch seine Abgründe.
Was macht mehr Spaß: Bühne oder Bestseller schreiben?
Schnoy: Beides hat Licht- und Schattenseiten. Die Bühne ist unmittelbar, es sind zwei Stunden, die sich wie wenige Minuten anfühlen. Das Adrenalin macht munter. Nicht umsonst sind Künstler 120 Minuten nach der Show vermindert schuldfähig. Bücher zu schreiben, ist eine einsame Angelegenheit. Man ist lange allein mit seinen Gedanken, Reaktionen kommen erst ein Jahr später. Trotzdem schreibe ich auch leidenschaftlich gern, vor allem in der Nacht und am liebsten am Meer.
Was hält der leidenschaftliche Europäer Schnoy vom Brexit? Sind die Briten noch zu retten?
Schnoy: Ich habe nicht verstanden, wieso für so eine gravierende Entscheidung eine knappe Mehrheit reichte. Für deutsche Grundgesetzänderungen bedarf es einer 2/3-Mehrheit. Das sollte auch für Referenden gelten, wenn es um so Wesentliches geht. Es wurde Stimmung mit Unwahrheiten gemacht. Angeblich hat Brüssel probiert 1980 in England den Rechtsverkehr einzuführen, Übergangszeiten nur für LKW. Ich glaube, es ist wichtiger denn je, dass sich die Vernünftigen in allen Ländern zusammenschließen. Denn auch wenn Populisten viele Fans haben: Die Welt retten, werden die Netten. Aber nur, wenn sie sich finden und zusammen auf den Tisch hauen.
Schnoy gilt als Deutschlands lustigster Historiker. Die Welt nannte ihn den „Guido Knopp des Kabaretts“. Welche historischen Figuren haben Sie besonders gereizt?
Schnoy: Mich reizen vor allem alle, die unsere Welt zu einem besseren Ort gemacht haben. Flüchtlingshelferinnen in den Pyrenäen im spanischen Bürgerkrieg und später der NS-Zeit, Aufklärer oder der sowjetische U-Boot-Offizier, der in der Kubakrise vor den USA als einziger von der Offizieren sein Veto gegen den Abschuss der Atomraketen gab, als die US-Navi das U-Boot schon bombardierte. Wäre er nicht so standhaft gewesen, könnte die diesjährige Museumsnacht in Coburg wohl nicht stattfinden, weil es dann einen Atomkrieg zwischen den USA und der Sowjetunion gegeben hätte. Deutschland wäre als erstes verbrannt.
Was können wir von Napoleon lernen? (... wie man sich erfolgreich vorm Abwasch drückt...)
Schnoy: Vor allem, dass wir nie wieder einem Mann die Macht übertragen sollten, der kleiner als 1,70 Meter ist. Kleine Männer sind gefährlich. Lernen ist wichtig, auch was Geschichte allgemein betrifft. Ich glaube, man kann aus Geschichte lernen, wenn wir uns mal etwas merken würden. Napoleon wurde vom Winter überrascht, Hitler wurde vom Winter überrascht und die Deutsche Bahn wird heute von jedem Winter überrascht.  
Coburg steht für Bratwurst, Samba, die Veste und den Coburger Mohr. Was davon möchten Sie bei Ihrem Besuch näher kennenlernen?
Schnoy: Den Samba natürlich, aber vor allem die Coburgerinnen und Coburger. In meiner Vorstellung gibt es viel zu lachen über alte und neue Despoten. Ich finde es toll, wenn sich Leute für die gute Sache einsetzen – wie der Kunde, der neulich im Dönerladen zum Dönermann sagte: „Und? Hast Du auch für Erdogan gestimmt? Wenn, ja kaufe ich keinen Döner mehr bei Dir!“ Wissen Sie, was der Dönermann sagte? „Ich bin Albaner, Du Freak!“ Und lasst uns tiefer schürfen. Es nützt nichts, wenn 72 Prozent der Deutschen sagen, wenn Erdogan in der Türkei die Todesstrafe einführt, werden sie aus Protest dort keinen Urlaub mehr machen, sondern lieber wieder nach Ägypten fahren.