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 FOTOREPORTAGE VON TILL MAYER
  Soldatengräber in einem Außenbezirk von Kyjiw.
  1000 TULPEN UND EIN BAUM
SVITLANA HAT IHREN MANN IM KRIEG VERLOREN, IHR HEIMATORT STEHT UNTER BESATZUNG. RUSSISCHE SOLDATEN QUÄLTEN SIE DORT ÜBER MONATE. MIT IHREN ZWEI KINDERN IST SIE NACH KYJIW GEFLOHEN. DORT WILL SIE EINEN ORT FÜR TRAUERNDE SCHAFFEN.
lanas Mann, fiel. „Er diente als Grenzschützer, 2014 hatte er schon im Donbas gekämpft“, sagt Svitlana am Küchentisch. Dann beginnt sie zu berichten. Als ihr Mann ums Leben kommt, erlebt Svitlana schon seit Wochen ei- nen Albtraum. Zuhause ist sie in einem klei- nen Grenzort im Oblast Luhansk. Er wird schon im März 2022 von russischen Truppen eingenommen. „Sie wussten, dass mein Mann Grenzschützer war“, sagt sie.
Bald kommt die erste Hausdurchsuchung. „Sie haben alles von unten nach oben ge- dreht. Ich weiß nicht, was sie gesucht haben. Mein Mann war Unteroffizier, kein hoher Mili- tär“, erklärt sie. Sie finden das grüne Barett von Volodymyr. „Meine kleine Polina war da gerade vier Jahre alt. ,Das gehört doch Papa, lasst es liegen’, hat sie gerufen“, sagt Svitlana. Die russischen Soldaten schieben das Kind beiseite. Tragen alles zusammen, was Bezug zur Ukraine hat. Bücher in ukrainischer Spra- che, eine Fahne, Bilder, das Barrett, Uniform- teile. Dann haben sie es vor dem Haus ange- zündet“,sagtSvitlana.DieNachbarnsahenzu. 20 Gaffer standen herum. „Einer von Ihnen kam dann auf mich zu, schlug meinen Kopf gegen eine Wand. Beschimpfte mich als
Nazi“, schildert die 36-Jährige, was geschah.
Drei Mal in der Woche wird Svitlana von den russischen Besatzern abgeholt und zum örtli- chen Hauptquartier gebracht. Woche für Wo- che geschieht das. Es folgen sinnlose Befra- gungen und dann Schläge, Tritte, Misshand- lungen, Demütigungen. „Sie haben alles mit mir gemacht, was noch keine Vergewaltigung ist“, beschreibt die Witwe. Im Ort steht ihr nie- mand bei. Svitlana züchtete Blumen und ver- kaufte sie. Ihre ehemaligen Kunden, die einst ihre Blumenbouquets lobten, sie schweigen. „Vermutlich hatten sie Angst, dass sie dann mit den Russen Probleme bekommen. Ande- re fanden sich schnell ihre Rolle als Kollabora- teure“, fügt sie hinzu.
Vom Tod ihres Mannes erfährt sie durch einen Anruf von dessen Kommandanten. Für Svitla- na bricht endgültig eine Welt zusammen. „Er wird in Dnipro beigesetzt“, sagt der ukraini- sche Offizier.
Die Ehefrau will Abschied von ihrem Mann nehmen. Die russischen Besatzer erlauben ihr die Ausreise aus dem Ort nicht. Zwei Tage spä- ter holen sie sie wieder ab. „Es war ein junger
Kyjiw Svitlana hat Kuchen mit Zuckerguss gekauft. Sie schneidet ihn, brüht frischen Tee auf. Das Gebäck schmeckt zu süß für die bitte- re Geschichte, die folgt. Svitlana sitzt am Tisch in ihrer schlichten Küche in einem Hochhaus in den Außenbezirken von Kyjiw. Die 36-Jähri- ge trägt Schwarz. Nebenan, im Wohnzimmer, hängen die Fotos ihres Mannes. Er trägt Uni-
form und blickt ernst aus dem Bild. Neben ei- nem Rahmen liegt ein Orden. Auf den Board an der Seite sind die Stofftiere der Tochter Po- lina zu sehen. Ein schmerzhafter Hintergrund für die Fotos eines Toten.
Der russische Großangriff auf die Ukraine dauerte seit 50 Tagen an, als Volodymyr, Svit-
 Kriegerwitwe Svitlana und ihre Kinder Igor und Polina. Das Erlebte brachte eine schwere Stille in die Familie.
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- STADTILLU FÜR COBURG, LICHTENFELS & KRONACH



















































































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