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REPORT AUS DER UKRAINE
ENGEL DES TODES
IN DER ENTWICKLUNG UND PRODUKTION VON DROHNEN HAT EIN ERBARMUNGSLOSER WETTLAUF BEGONNEN. SEIN AUSGANG WIRD MIT KRIEGSENTSCHEIDEND SEIN. DAS STARTUP VON DMYTRO BABENKO STELLT DIE WAFFE HER. IN KYJIW ERLEBT ER SELBST NACHT FÜR NACHT DROHNENANGRIFFE.
nem angehefteten olivgrünen Kunststoffcontai- ner in seine Hände. „Darin ist ein extrem dünnes Glasfiber-Kabel aufgerollt. Die Verbindung zum Piloten“, erklärt der Jungunternehmer.
Ortswechsel, Frontstadt Pokrowsk im Osten der Ukraine. Mit vollem Tempo und heulendem Mo- tor fährt ein Wagen der ukrainischen Armee durch eine menschenleere Stadt. Wohnblocks, bei denen Explosionen ganze Stockwerke zum Einsturz gebracht haben, ziehen an den Fenstern vorbei. Wracks ausgebrannter Wagen. Drohnen- treffer. Auf dem Dach des Geländewagens sind die Antennen von Störsendern aufgeschraubt. „Nur sie helfen nicht, wenn Kamikaze-Drohnen über Glasfiber-Kabel statt Radiowellen gesteuert werden“, erklärt Soldat Dimitri. Der 33-Jährige kämpft als Drohnen-Pilot, gerade endet seine Schicht. Der Wagen bringt sein Team nun wieder in sicheres Gebiet. Ein Keller in einem verlasse- nen Wohnblock ist die "Kommando-Zentrale" in Pokrowsk. Vor dem Block lassen er und seine Ka- meraden mehrmals in der Nacht eine große Transport-Drohne in die Dunkelheit steigen, die Munition und Lebensmittel zur Infanterie in der
Kyjiw Eine friedliche Idylle irgendwo am Stadt- rand von Kyjiw. Dichter Wald streckt sich am Hori- zont, davor eine sattgrüne Wiese. In der Ferne summt der Verkehr der nahen Stadtautobahn. In der Luft sirrt es. Drohne im Anflug. Pfeilschnell knapp über Kopfhöhe, dann steigt sie rasant nach oben, eine Rolle in der Luft. Kurzer Sturz- flug, die Drohne steht für Sekunden in der Luft.
Schließlich Punktlandung vor einem schwarzen VW-Bus, an dem ein mächtiges Banner befestigt ist. „VYRIY - drone workshop“ steht in weißen Let- tern auf schwarzem Grund, darüber schwebt auf- gedruckt eine stilisierte Drohne. Die echte Droh- ne wirbelt noch ein wenig Staub und trockenes Erdreich auf, bevor die vier Rotoren zum Still- stand kommen.
Dmytro Babenko macht ein zufriedenes Gesicht. Heute ist internationale Presse da. Er will zeigen,
was seine Drohnen leisten. Ein finnischer Foto- graf und der deutsche Autor dieses Artikel haben ihre Kamera in der Hand. Dann ist da noch eine handvoll Interessenten, die sich nicht vorstellen. Der 26-Jährige ist ein Jungunternehmer. Es ist ein windiger Tag. Eine Böe fährt durch das dunkle Haar des jungen Manns, der mit seiner Tolle ein wenig an Elvis Presley erinnert. Doch das Thema taugt wenig, um Vergleiche mit verblichenen Stars der Rockgeschichte zu ziehen. Es geht um den fliegenden Tod. Um Drohnen und einen un- barmherzigen Entwicklungs-Wettlauf in der Luft, der mit kriegsentscheidend sein kann.
2022 zu Beginn der Russischen Vollinvasion half Babenko als Freiwilliger, Menschen aus den bei- den Kyjiwer Vororten Irpin und Butscha zu retten, in denen in der kurzen Besatzungszeit über 500 Zivilistinnen und Zivilisten von russischen Solda- ten massakriert wurden. Insgesamt 1400 Men-
schen wurden in der Region Kyjiw ermordet. Die Brutalität der Invasoren traf Babenko tief ins Mark. Russische Truppen, die bis in die Vororte von Kyjiw vorgerückt waren, der Schock wirkt bei ihm bis heute nach. „Ich wollte etwas tun, um un- ser Land zu verteidigen“, sagt der Jungunterneh- mer, der sich gerade nach seinem BWL-Studium und Corona mit einem Nachhilfestudio selbst- ständig gemacht hatte.
Schnell brachte der Krieg eine neue Waffengat- tung ins Spiel: Drohnen. „Start Ups schossen da- mals wie Pilze aus dem Boden, die recht primiti- ve Drohnen anboten“, erinnert sich der 26-Jähri- ge. E gründete mit seinem Buder ein StartUp zur Drohnenproduktion. Der Markt der Drohnen ist herausfordernd. „Die meisten sind heute nicht mehr existent. Geblieben sind diejenigen, die in- novativ und leistungsstark sind“, erklärt er. Dann nimmt er eine der ausgestellten Drohnen mit ei-
Drohnenpiloten im Einsatz: An der Front sind Kamikazedrohnen zum tödlichen Alltag geworden.
Dmytro Babenko hat mit seinem Bruder ein StartUp gegründet, das Drohnen produziert.
Zerstörungen durch Drohnen-Einschläge in Kyjiw. Russland
hat in den vergangenen Wochen seine oft tödlichen Angriffe ausgeweitet.
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- STADTILLU FÜR COBURG, LICHTENFELS & KRONACH