Page 83 - MOHR Stadtillu - Ausgabe 252
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TEXT UND FOTOS VON TILL MAYER
  REPORT
 Ram Bahadur Thapa. Ramesh ist Mitglied der nepalesischen Nationalmannschaft für Men- schen mit Beeinträchtigungen. Als Schwimmer, im Marathon oder Basketball. „Sein Lebensmut, seine Stärke, sie sind beeindruckend. Er gibt uns allen Mut. Gerade jetzt“, erklärt der 42-Jährige.
Derweil macht sich Ramesh auf den Heimweg. Gut drei Kilometer sind es. Eigentlich hat Ra- mesh einen betagten Moped-Scooter. Aber Benzin ist teuer. So rollt er mit dem Rollstuhl, wann immer es geht. Gelegentlich etwas wag- halsig, wenn er sich auf staubigem Asphalt durch Auto-Reihen schlängelt, zwischen Bussen und Trucks die Lücke nutzt, sich seinen Weg durch schwarze Abgaswolken der Mehrtonner bahnt.
Das Zuhause des jungen Mann ist ein einfacher, kleiner Raum. Nackter Beton-Boden, ein Bett, ein kleines Tischchen vor dem Fenster mit Vor- hang. Das ist alles. Auf dem Tisch reihen sich die Pokale aneinander. An der Wand hängen die Medaillen. Es sind viele, viele, viele. Würde man sie wiegen, es käme ein Kilogramm-Wert her- aus. Ramesh trat bei internationalen Turnieren in Japan, Indonesien und Singapur an. „Nach dem Beben, als ich plötzlich ein Menschen ohne Beine war, da gab es nur einen gewalti- gen Schock. Ich wollte nicht, dass meine Familie erfährt, was mit mir geschehen war“, sagt Ra- mesh leise im Dämmerlicht seines Zimmers. Dank der Hilfsorganisation Handicap Internati- onal bekommt er damals auch psycho-thera- pheutische Unterstützung. „Das war wichtig für mich. Es war wohl entscheidend. Ich musste erst wieder Mut finden. Mein Leben als Mensch mit einer Behinderung anerkennen“, erklärt der 27- Jährige. Das Training, die damit verbunden Dis- ziplin, hilft dem Versehrten-Sportler.
Als Athlet verdient er ein wenig Geld. Preisgel- der und Sponsoring helfen ihm, in bescheiden- sten Verhältnissen zu leben. Ramesh studiert In- formatik. Er hofft, seinen Bachelor abzulegen. Den Studiengang will er in drei Jahren absol- viert haben. „Hätte ich einen eigenen Laptop, könnte ich online ein bisschen hinzuverdienen. Ganz abgesehen davon, dass ich einen Compu- ter für mein Studium bestens brauchen könn- te“, meint er. Aber umgerechnet 350 Euro für ei- nen gebrauchten Laptop, das ist praktisch unbe- zahlbar für ihn.
Selbst zum Trainieren fehlt das Geld. „Den Ein- tritt für den Swimming-Pool, ich kann ihn mir
selten leisten. Das ist bitter“, verdeutlicht der 27- Jährige. Und wenn sein Sport-Rolli für die Tur- niere eine Überholung braucht? „Ich hoffe, das wird weiter gesponsert“, sagt der 27-Jährige. Und befürchtet, dass sich auch hier das Fehlen der USAID-Mittel auswirken können. Zigtausen- de Helferinnen und Helfer haben nach dem praktischen Aus von USAID weltweit ihren Job verloren. Die Hilfsorganisationen müssen ei- sern sparen. Zahlreiche Projekte wurden ersatz- los gestrichen. USAID gab im Haushaltsjahr 2024 21,7 Milliarden US-Dollar weltweit aus. Dies entspricht 0,3 Prozent der gesamten US- Bundesausgaben von 6,8 Billionen US-Dollar.
Auch den Himalya-Staat trifft es hart. 2022 hat- ten Vertreter von USAID und des Staats Nepal ei- nen Entwicklungsplan für fünf Jahre aufgelegt. Die Höhe der Unterstützung sollte sich auf 659 Millionen Dollar belaufen. Quasi über Nacht wurden die Mittel gestrichen. Hoffnungen ru- hen unter anderem auf der Europäischen Uni- on und bilateral auf Deutschland. Doch mit dem russischen Angriff auf die Ukraine hat Eu- ropa einen brutalen Krieg auf dem eigenen Kontinent. Sieht sich einer aggressiven Groß- macht gegenüber, die sich für einen noch grö- ßeren Krieg rüstet. Dass die Europäische Union die Lücke füllen kann, darauf hofft kaum je- mand.
Paulin Falipou ist in der Zentrale der Hilfsorga- nisation Handicap International - Humanity & Inclusion in Lyon eine der federführenden Spe- zialistinnen bei Katastropheneinsätzen. 2015 leitete sie auch den Nepal-Einsatz der internati- onalen Hilfsorgansiation, die auch in Deutsch- land ansässig ist. „Beispielsweise durch den Kli- mawandel nehmen die Katastrophen weltweit zu. Vorsorge zu treffen, ist wichtig. Bereit für eine Katastrophe zu sein, rettet Menschenle- ben“, erklärt sie. Die Lücke, die USAID hinter- lässt, sei gewaltig. „Ich kann schwer sagen, wie sie geschlossen werden kann“, sagt sie. Unter vielen Mitarbeitern von Hilfsorganisationen be- steht die Furcht, dass weltweit die Unterstüt- zung für Entwicklungs- und Katastrophen- schutz-Projekte bei den Gebern generell sinkt. „Das wäre schmerzhaft. In Nepal konnten wir mit unseren Partnern nach dem Beben viel für den Katastrophenschutz bewirken. Falls es zu ei- nem neuen Beben kommt, sind die Menschen nun besser vorbereitet. Schlimm, wenn welt- weit hierfür Gelder fehlen“, so Paulin Falipou.
Rund eineinhalb Flug-Stunden von Kathman-
du entfernt wohnt in einem kleinen Dorf mit dem langen Namen Pipalbote Tole Buhabar Jhapa im Tiefland der neunjährige Prabin. Der Junge trägt unterhalb des Knies eine Prothese. Und gehört zu den besten Kickern in seiner Klasse. Seine Fußballer-Talente zeigt er zusam- men mit seinem gleichaltrigen Kumpel aus der Nachbarschaft. Die beiden liefern sich auf der staubigen Dorfstraße spannende Zweikämpfe. Ein Hahn nimmt erbost krähend Reißaus.
„Dank seiner Prothese kann er mit den anderen Kindern spielen“, sagt seine Mutter lächelnd. Handicap International-Mitarbeiterin Ambika Sharma ist an diesem Tag zu Besuch bei der Fa-
milie. Sie ist Mitarbeiterin des Orthopädie-Zen- trums von Biratnagar, einer Einrichtung von Handicap International. Doch auch dort fehlen die Mittel, seit die Unterstützung von USAID ausbleibt. „Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn wir am Ende des Jahres eine neue Prothese für Prabit brauchen oder die be- stehende an sein Wachstum anpassen. Im Mo- ment können wir das nicht finanzieren“, sagt die Helferin leise. Für Jung-Fußballer Prabin wäre es furchtbar, mit Krücken zur Schule zu ge- hen, anstatt dem Ball nachzujagen. Würde der Athlet Ramesh davon wissen, es würde ihm wohl das Herz schmerzen.
   Dank seiner Prothese kann Prabin Fußball spielen. Ohne müsste er auf Krücken gehen. Doch der Junge wächst schnell. Handicap International-Mitarbeiterin Ambika Sharma befürchtet, dass für Prabins nächste Prothese keine Förderung mehr vorhanden sein wird.
  Spendenkonto:
Handicap International
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